Der Lustnauer Klosterhof

Der alte Brunnen ist inzwischen stark vermoost

Wappen mit Abtsstab; links ein viergeteiltes Wappen: Geweih der Württemberger, Rauten von Teck, Reichssturmflagge und die Barben von Mömpelgard; rechts „ein von Rot und Silber doppelreihig geschachter Schräglinksbalken“ (Zisterzienserwappen)

Am Ortsausgang Lustnaus Richtung Bebenhausen steht das mittelalterlich anmutende Ensemble des Klosterhofs Lustnau. In der Beschreibung des Oberamts Tübingen 1867 steht: „Zu der Gemeinde gehört der nur einige 100 Schritte nördlich von Lustnau, am Eingang in das Goldersbachthal gelegene Klosterhof; er besteht aus einem einfachen zweistockigen Steinhaus, das nach seinen Bauformen dem 16. Jahrhundert angehört und über dessen Eingang das Wappen von Bebenhausen angebracht ist.
Außer diesem sind noch einige Ökonomiegebäude, einst nebst einem Hofraum und Garten von einer sehr hohen, mit Befestigungsthürmen flankirten Mauer umgeben, welche beinahe die halbe Breite des Thales einnahm; von ihr stehen jetzt nur noch die gegen Westen gelegenen Theile mit einem runden, und an der nordwestlichen Ecke mit einem viereckigen trümmerhaften Thurme.“

Der Klosterhof ist wohl um die Mitte des 13. Jahr-hunderts als Wirtschaftshof des Klosters Beben-hausen errichtet worden. 1261 wird er erstmals urkundlich erwähnt, 1273 wird er weiter ausgebaut und befestigt.
Ein Hofmeister kümmert sich um den klösterlichen Besitz, der sich 1355 in Lustnau auf 39 Häuser, vier große Höfe, zahlreiche Äcker, Wiesen und Weinberge (mit der Kelter auf dem Denzenberg) belief. Hinzu unterstehen der klösterlichen Leibeigenschaft 28 Familien und 13 Einzelpersonen.

Nach der Einführung der Reformation um 1540 verlagert der Klostervogt von Bebenhausen seinen Dienstsitz in den Klosterhof von Lustnau. In der Lustnauer Kirche ist noch das Epitaph eines dieser Vögte, das des Klostervogts Johann Stephan Schwarz (1680-1740), erhalten.
Durch die Auflösung des Klosteramtes 1807/08 kommt Lustnau zum Oberamt Tübingen. In der Oberamtsbeschreibung von 1867 heißt es hierzu: „Der Hof gehörte dem Staat, der die Gebäude und die innerhalb der Ringmauer gelegenen Güter theils in den 1820er Jahren an eine Gesellschaft, theils in den 1840er Jahren an die Gemeinde Lustnau verkaufte; die außerhalb der Mauer gelegenen Güter behielt der Staat, der sie nun an Ortsbürger verpachtet.
Die Gesellschaft benützt hauptsächlich das Wohngebäude und gründete hier im Jahr 1841 unter dem Namen Sophienpflege eine Erziehungsanstalt für verwahrloste Kinder, in der gegenwärtig 15- 16 Kinder Aufnahme finden. An der Anstalt steht ein Lehrer, zugleich Verwalter, ein Aufseher und eine Aufseherin.“

Die Sophienpflege zog 1969 in den Neubau bei Pfrondorf. Der Klosterhof wurde danach mehrere Jahre als Therapiezentrum der Drogenhilfe Tübingen e. V. genutzt, 2015 wurden die Gebäude in ein Studentenwohnheim mit 55 Zimmern umgebaut. Weiterhin hat hier ein Gebrauchtwagen-Händler (in einer ehemaligen Tankstelle an der Straße) sein Gelände. Die alten Umfassungsmauern auf der West- und Nordseite aber erinnern noch heute an eine burgähnliche Befestigung, ebenso der Turm mit seinem achteckigen Fachwerkaufsatz. 

Stephan Glaser

Quelle

Gemeindebrief Februar 2019